Edelgard Stryzewski-Dullien

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Fotoeinzeichnungen

Diese Technik habe ich entwickelt im Umgang und Spiel mit Fotos und fotografierten Spuren.

Sie entstand in einem Moment, in dem ich sehr unzufrieden war mit der Genauigkeit und Schärfe, mit der Fotoapparate die Welt abbilden. Entdeckte ich in Baumrinden, Steinen oder Flecken Bilder und Figuren, so hielt die Kamera alles sehr getreu fest, von rechts nach links, von oben nach unten, ohne Fokussierung.

Arbeitete ich mit Stiften oder Farben in diese Fotos hinein, so konnte ich das von mir Gemeinte festhalten.

Seitdem fotografiere ich Spuren, Zeichen, Farbflecken oder Baumrinden, Wasserspiegelungen oder Sonnenflecken.

Die so entstandenen Bilder wecken andere, neue Bilder in meinem Kopf, gesehene und nie gesehene. Ich drehe und wende die Fotos und zeichne ein, welche Assoziationen sie bei mir auslösen. So können Serien entstehen, die Ähnlichkeiten aufweisen, sich aber im einzelnen Bild deutlich unterscheiden.

Ich versuche dabei, die Grenze zwischen dem realen Abbild und den Bildern in meiner Vorstellung zu verwischen oder aufzulösen.

Olivenbäume

Die ersten Fotoeinzeichnungen entstanden nach einem Wanderurlaub durch die Olivenhaine Mallorcas.

Ich war fasziniert von den Baumstämmen, ihrem verwundenen und gedrehten Wuchs, ihrer Körperlichkeit und ihrer Ähnlichkeit mit menschlichen Körpern in Bewegung. Für mich tanzten die Stämme, drehten sich umeinander, umarmten sich, kämpften miteinander oder verbanden sich zu Körperknäuel.

Ich lieh mir eine Kamera und erhielt nur einen Schwarz-Weiß-Film. Ich fotografierte die Bäume, immer die Assoziation im Fokus, die in meinem Kopf erschien.Zuhause - nach dem Abziehen der Fotos - kam die Enttäuschung: Die Kamera hatte ganz exakt und genau alles abgelichtet, das vor der Linse erschien. Das Bild in meinem Kopf löste sich in Realität auf. In der Zeit schenkte mir eine Freundin einen der ersten Acrylstifte, die auf Fotos hielten. In einer Nacht überzeichnete ich die Hälfte der Bilder und „bezeichnete“ so das, was ich in ihnen sah. Diese Arbeiten konnten reproduziert werden.

Ich machte Serien daraus, ähnlich wie bei Druckgrafiken. Ich zerstörte nach 20 oder 30 Abzügen das Negativ. Das war eine Technik, die heute (2014) mit den digitalen Vervielfältigungsmöglichkeiten nicht mehr diskutierbar ist.

Meine tanzenden Olivenbäume gibt es noch.

Spinnweben

Eine besonders fruchtbare Grundlage für Foto-Einzeichnungen bildeten fast zufällige Fotos von einem alten Schrank, der in einer Scheune stand und als Werkzeugablage und Materialaufbewahrung diente. Er war jahrelang nicht benutzt und über und über umsponnen von Spinnweben bis in die letzte Schublade.

Es entstanden viele Fotos, besonders Detailfotos, die unter dem Spinngewebe erahnen lassen, was so lange Zeit nicht mehr benutzt worden ist. Kurz danach entstanden Fotos von der geflickten Mole in Ponte de Trevignon, einem winzigen Hafen in Finstere, am „Ende der Welt“.

Auf dieser Mole vereinigten sich gewachsener Fels mit Baubeton und einem sehr hellen Gipsbeton, mit dem jährlich die entstandenen Löcher verfüllt wurden.

Beides, die Fotos des Spinnenschrankes und die Bilder der Spuren auf der Mole, überzeichnete ich zur gleichen Zeit. Daraus entstand ein Bilderzyklus, der in ein Buch überging, in dem die Fotoüber-zeichnungen mit lyrischen Gedichten von Anna Sieveneck kombiniert wurden. Wir nannten das Büchlein “Mit Spinnweben tanzen….“

Steine

Ich wende die Technik bei allen Spurendeutungen an, also auch bei der Begegnung mit Steinen, Felsformationen, Sandspuren, im Grunde bei allen Begegnungen mit Zeichen, die in meinem Kopf Bilder hervorrufen.

Besonders die Zeiten, in denen ich mich an der Steinküste der Bretagne aufhielt, geben mir bis heute Anstöße, Bilder zu entdecken, die tief in mir ruhen.

Die Konkretisierung dieser Bilder erfolgte zunächst ganz real an den Felsen und Steinen der Bretagne (Siehe Fundstücke). Die fotografische Adaption läuft parallel dazu, beides ergänzt sich.

Die Fotos bleiben über den Aufenthalt vor Ort eine Art „Erinnerungstütze“, ein Bilderspeicher, der mir in dem felsenarmen Zuhause die Möglichkeit gibt, die fotografisch festgehaltenen Spuren zu deuten, mit ihnen zu spielen, mich wieder ans Meer zu denken und in die Möglichkeiten, die eine Felsspalte, ein Sonnenflecken auf dem Stein in meinem Kopf öffnen.